Der Querulant wohnt nebenan

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Die Illustration zeigt, wie zwei Menschen am Gartenzaun stehen und sich unterhalten.
Bild: C3 Visual Lab

Wild wachsende Bäume an der Grundstücksgrenze, ästhetisch fragwürdige Dekoration im Vorgarten, laute Partymusik in der Nacht: Es gibt viele mögliche Gründe, um mit seinen Nachbarn in Streit zu geraten – einige kennt man aus den Werbespots von Versicherungen. Muss daraus handfester Krawall werden? Welche Möglichkeiten und Eskalationsstufen gibt es, um Schwierigkeiten über den Gartenzaun hinweg aus der Welt zu räumen? Wir skizzieren die Lösungspakete.

 

Schritt 1: Hinterfragen Sie Ihr Problem

„Nachbarn kann man sich nicht aussuchen“, sagt Helmut Hergarten, Hauptgeschäftsführer des Vereins Haus & Grund Bonn/Rhein-Sieg. „Genau deshalb kommt es schnell zu Streitigkeiten zwischen den einzelnen Parteien.“ Wenn Menschen unterschiedliche Auffassungen darüber haben, wann eine Party zu laut ist oder wie eine gepflegte Einfahrt auszusehen hat, bauscht sich ein störendes Detail schnell zur größeren Angelegenheit auf.

Bevor sich das Problem auswächst, sollte man jedoch einmal in sich gehen: Lohnt es sich ernsthaft, sich darüber aufzuregen? Lässt sich nicht mit etwas Großzügigkeit über die Sache hinwegsehen? Könnte es nicht auch sein, dass nicht die Gepflogenheit des Nachbarn das Problem ist, sondern vielmehr das eigene aktuelle Empfinden?

 

Schritt 2: Suchen Sie das Gespräch

Reden hilft fast immer, wenn Sie eine Eskalation vermeiden wollen. Suchen Sie eine gute Gelegenheit, um Ihr Problem beim Nachbarn anzusprechen – am besten in angenehmer Atmosphäre und ohne Zeitdruck. Zeigen Sie, dass Sie zu Kompromissen bereit sind und gemeinsam mit dem Gegenüber nach einem Ausweg suchen möchten.

So kommen Sie in den meisten Fällen garantiert zu einer einvernehmlichen Lösung. „Und die ist immer die beste – schließlich müssen Nachbarn auch weiterhin miteinander im Alltag auskommen. Immobilieneigentümer sogar für die nächsten Jahrzehnte“, sagt Hergarten. Falls Ihnen und Ihrem Nachbarn die zündende Idee für einen Kompromiss fehlt, holen Sie sich einen Ratgeber zur Seite: einen weiteren Nachbarn zum Beispiel.

 

Die Illustration zeigt, wie ein Menschen bohrt und der andere sich die Ohren zuhält.
Bild: C3 Visual Lab

Schritt 3: Schalten Sie eine neutrale Instanz ein

Ist die Situation zwischen Ihnen und Ihrem Nachbarn festgefahren, hilft es meist, einen neutralen Berater zu Hilfe zu holen. Dies kann zum Beispiel der Hausverwalter sein oder ein Vertreter der Haus-, Wohnungs- und Grund­eigentümervereine. „Für Mitglieder ist diese Beratung sogar kostenlos“, so Hergarten.

Alternativ haben Städte und Kommunen ehrenamtliche Schiedsleute berufen, die jeweils für einen Stadtbezirk zuständig sind und dort versuchen, Streitigkeiten beizulegen. Wer sie anruft, muss mit Gebühren zwischen 30 und 50 Euro rechnen. Auch die Anwaltvereine stellen kostenpflichtige Mediatoren bereit, die zwischen den Parteien vermitteln. Allerdings: „Diese Schlichter können keinen Kompromiss erzwingen, die Teilnahme an einem Treffen mit ihnen ist absolut freiwillig“, berichtet Hergarten. Am Ende ihrer Bemühungen um eine einvernehmliche Einigung schreiben die neutralen Instanzen ein Protokoll, in dem der Kompromiss festgehalten wird – oder lapidar vermerkt ist, dass der Streit nicht beigelegt werden kann.

 

Schritt 4: Holen Sie sich juristische Unterstützung

Bei den örtlichen Anwaltvereinen erfahren Sie, welche Juristen auf Nachbarschaftsangelegenheiten spezialisiert sind. Wer Mitglied in einem der regionalen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümervereine beziehungsweise im Mieterverein ist, kann sich auch dorthin wenden.

Da sich die Gegenseite in der Regel ebenfalls einen Rechtsbeistand nehmen wird, sobald Post von Ihrem Rechtsanwalt in den Briefkasten flattert, wird der Ton der Auseinandersetzung nun schärfer und verbindlicher. „Klar ist: An diesem Punkt geht es nicht mehr darum, einen Kompromiss zu finden – vielmehr werden nun Sachverhalte dargestellt und die eigene Position deutlich gemacht“, sagt Hergarten, der ebenfalls Rechtsanwalt ist.

Seine Erfahrung zeigt: Tauschen sich die Nachbarn nur noch über ihre Rechtsanwälte aus, ist ein distanzierter, aber höflicher Umgang im Alltag kaum noch möglich. Hinzu kommt: Die Unterstützung kostet ab 200 bis 300 Euro aufwärts.

 

Schritt 5: Ziehen Sie vor Gericht

In vielen Bundesländern gilt: Bevor sich ein Richter mit Ihrem Nachbarschaftsstreit befasst, muss zunächst ein Schlichter versucht haben, einen Kompromiss zu finden – das entsprechende Abschlussprotokoll seiner Bemühungen muss vorliegen (siehe Schritt 3). „Weniger als die Hälfte der Streitigkeiten landet tatsächlich vor einem Gericht“, weiß Hergarten. Der Grund: Viele schrecken vor den drohenden Kosten zurück, die auf sie zukommen, falls das Gericht gegen sie entscheidet.

 „Bei manchen kühlt sich die Wut im Laufe der Zeit auch wieder ab – allein bis das vorgeschriebene Schiedsverfahren abgeschlossen ist, dauert es ja meist schon zwischen vier und sechs Wochen“, weiß Hergarten. Und wer tatsächlich bis zum Ende durchhält, kann davon ausgehen: Von einem guten Nachbarschaftsverhältnis werden die beiden Parteien für immer weit entfernt sein.