Muskelkraft zählt

| 0 Comments

Um sich den Traum vom Eigenheim zu erfüllen, wagten Verena und Denis Feuereisen die Kernsanierung  einer Doppelhaushälfte aus den frühen 1960er-Jahren. Dabei legten sie selbst Hand an – in einem Umfang,  der sie manchmal bis an ihre Grenzen führte.

Grundlegende Veränderung: Verena und Denis Feuereisen mit Tochter Elena vor ihrer Doppelhaushälfte. Foto: Bernhard Huber

Das Grundstück von Verena und Denis Feuer­eisen ist kaum wiederzuerkennen: Wo heute Hühner und Wachteln über den Rasen laufen und liebevoll gestaltete Do-it-yourself-Möbel zum Verweilen einladen, befand sich noch vor acht Jahren ein trostloser Garten mit einer Doppelhaushälfte, die ihre besten Jahre schon weit hinter sich gelassen hatte. Als das Paar die Immobilie erwarb, musste es diese zunächst zurückbauen – nur die tragenden Gebäude­strukturen blieben stehen. Fast alles musste erneuert werden, von den Böden über die Elektroinstallationen bis zur Dachkonstruktion. Das meiste davon erledigten die beiden selbst und dabei lief vieles nicht so wie geplant. „Hätte man mich in den ersten Monaten nach dem Beginn der Bauarbeiten gefragt, hätte ich gesagt: Wir ziehen hier nie ein!“, erinnert sich Verena Feuereisen. Dabei begannen die Herausforderungen eigentlich schon viel früher.

Je größer die Tochter, desto kleiner die Wohnung

Verena und Denis wohnten damals in einer 2,5-Zimmer-Wohnung im brandenburgischen Golzow, einer südwestlich von Potsdam gelegenen Gemeinde mit rund 1.400 Einwohnern. Die Verwaltungsmitarbeiterin und der Mecha­troniker hatten es sich in ihren vier Wänden gemütlich gemacht. Ein freudiges Ereignis wirbelte das Leben der beiden jedoch ordentlich durcheinander: Tochter Elena kam auf die Welt und je größer sie wurde, desto kleiner wurde die Wohnung. Den Feuereisens wurde klar, dass sie sich ein Kinderzimmer für ihre Tochter wünschten. Dafür würden sie auch umziehen.

Fassade: Von außen präsentiert sich das Haus nun mit einem frischen Farbputz. Foto: Bernhard Huber

Wie schnell diese zunächst vage Zukunftsplanung konkret werden würde, ahnten sie nicht: Ein Bekannter berichtete ihnen von einer Immobilie, die in der Nachbarschaft zum Verkauf stand. Die beiden sollten sich am besten direkt beim Eigentümer melden. Ein eigenes Haus in unmittelbarer Nähe? Endlich genug Platz, nicht nur für Verena, sondern auch für Gäste, Hobbys und einfach nur zum Entspannen? Diese Vorstellung gefiel den Feuereisens, und Denis machte sich sofort auf den Weg zu der angebotenen Immobilie. Die Enttäuschung folgte gleich auf dem Fuß: Die Besitzer wollten gar nicht verkaufen. Sie gaben Denis jedoch den Tipp, dass ein paar Hausnummern weiter ein Grundstück verkauft werden sollte. Aber auch das entpuppte sich als Fehlinformation. Und so plötzlich, wie die Suche nach einem Eigenheim in der Nachbarschaft begonnen hatte, so abrupt endete sie auch wieder.

Doppelhaushälfte im Blick

Verena jedoch ließ der Gedanke an ein Eigenheim nicht mehr los, und beim Lesen von Immobilienanzeigen fiel ihr eine Doppelhaushälfte mit Garten ins Auge – insgesamt 1.500 Quadratmeter Fläche, hier in ihrem Heimatort. Das Paar meldete sich zu einem Besichtigungstermin an. Gemeinsam mit einem befreundeten Experten aus der Baubranche begutachteten sie das Haus und die Bausubstanz. Schnell wurde klar, dass es jede Menge zu tun gab. Ein neuer Anstrich würde hier nicht reichen. Aber wo die Liebe hinfällt: Die Feuereisens hatten sich in die Immobilie verguckt und ließen sich kurzentschlossen auf eine Zitterpartie im Bewerbungsverfahren ein, denn mehrere Parteien interessierten sich für das Grundstück.

Als die Feuereisens schließlich den Zuschlag bekamen, konnten sie ihr Glück kaum fassen. „Ein Mitbewerber hat unseren Preis sogar überboten. Ich weiß nicht, warum der Verkäufer sich nicht darauf eingelassen hat“, erzählt Verena. Die Zusage kam im August 2015. Kurz vor Weihnachten desselben Jahres erfolgte die Schlüsselübergabe: Für die junge Familie war es das schönste Weihnachtsgeschenk, das sie sich vorstellen konnte. „So schön, dass mein Mann noch am 23. Dezember damit begann, die Tapeten von den Wänden zu reißen“, erinnert sich Verena lächelnd.

Umfassender Umbau mit viel Eigenleistung

Doch diese ersten Handgriffe waren nur ein kleiner Teil dessen, was in den nächsten zwei Jahren auf das Paar zukam: Die beiden stürzten sich in eine umfassende Kernsanierung, bei der sie viele Arbeiten selbst übernahmen. Dafür sprachen sie zunächst mit Architekten und Handwerkern, holten sich Angebote ein und erstellten einen Fahrplan für ihr Bauvorhaben.

Grundriss: Dieser wurde angepasst und die Treppe steht jetzt an einer neuen Stelle. Foto: Bernhard Huber

Anschließend arbeiteten sie sich von unten nach oben durch das Haus. Abriss und Entsorgung – so sah jetzt ihre Freizeitgestaltung aus. Die regelmäßigen Fahrten zum Wertstoffhof, um Schutt und Abfälle fachgerecht zu entsorgen, fühlten sich dabei wie kleine Zwischensiege an: wieder ein kleines Stück geschafft. Neben den Tapeten mussten auch vielfältige Decken- und Wandverkleidungen sowie Bodenbeläge entfernt werden. So lagen beispielsweise über dem Dielenboden in der Küche fünf Schichten Linoleum. Weiterer Abfall bestand unter anderem aus Holz, Styropor, Fliesen und Holzwolle-Leichtbauplatten: „In der ehemaligen DDR war alles knapp, auch Baumaterial. Man konnte nichts vorbestellen. Es wurde verbaut, was verfügbar und bezahlbar war – oft unabhängig davon, was einem gefiel“, ordnet Verena den Zustand der Immobilie ein. „So wurde eben auch unser Haus ausgebaut.“

Anfang der 1960er-Jahre scheinen Elektrokabel knapp gewesen zu sein, denn sie wurden platzsparend diagonal in den Wänden verlegt. Eine riskante Methode: Wer ein Loch in die Wand bohren wollte, dem drohte ein Stromschlag. Im Zuge der Sanierung verlegten die Feuereisens die Stromleitungen neu – fachgemäß und sicher in den festgelegten Installationszonen entlang der Wandkanten.

Lieblingshöhle: Unter ihr Bett kann sich Elena zurückziehen. Foto: Bernhard Huber

Hinzu kam, dass einige Wände in einem schlechten Zustand waren und teilweise neu errichtet wurden. Auch beim Entfernen des hartnäckigen Putzes in den Ecken kam den Bauherren der eine oder andere Stein entgegen, der neu eingesetzt werden musste. Bei diesen Arbeiten fanden sie im Mauerwerk neben alten Zeitungsresten auch eine handgeschriebene Botschaft auf Pappe. Jemand hatte seinem Ärger über die Politik Luft gemacht mit den Worten: „Ulbricht gehört verboten!“ Walter Ulbricht, damals mächtigster Politiker der ehemaligen DDR, hatte 1961 ein prägendes Ereignis der deutschen Geschichte zu verantworten – den Bau der Berliner Mauer. Für die Feuereisens ein besonderes Fundstück: ein stiller Protest, Zeitgeschichte versteckt zwischen Mauersteinen.

Grundfläche: 164 Quadratmeter, verteilt auf zwei Etagen, bieten viel Platz für das Beisammensein. Foto: Bernhard Huber

Natürlich gab es im Verlauf der Sanierung einige Überraschungen: Zur Freude der Feuereisens war der Keller trocken und in einem gutem Zustand. Zudem kamen im gesamten Erdgeschoss Holzböden zum Vorschein. Diese waren jedoch so morsch, dass sie nicht abgezogen werden konnten. Deshalb entschieden sich Verena und Denis dafür, den Boden neu aufzubauen: Anstelle der Dielen wurde Estrich aufgebracht und zudem eine Fußbodenheizung verlegt, was letztendlich die Wohnqualität noch einmal enorm steigerte.

Im Zuge der Kernsanierung wurde auch der Grundriss verändert. Verena und Denis rissen die alte Innentreppe ab. Das Haus wurde mit einem bestehenden Anbau verbunden und so konnten sie die Treppe versetzen. Im Erdgeschoss entstand eine Durchreiche zwischen den Wohnbereichen, um den Essbereich großzügiger zu gestalten.

Vorher und nachher: Viel hat sich seit dem Hauskauf getan. Für die Bank hat das Paar die Sanierung dokumentiert. Foto: Bernhard Huber

Einer Prüfung unterzogen wurden die Decken und das Dach: In der Holzbalken­decke zwischen Erdgeschoss und Dachgeschoss wurde Lehmputz zum Dämmen verwendet – ein natürlicher Baustoff, der das Raumklima positiv beeinflusst. Die Bauherren freuten sich über diesen Fund, denn das Material kann bedenkenlos zurückgebaut werden.

Für eine gute Dämmung sorgt auch das doppelschalige Mauerwerk. Gerne hätten die Feuereisens als weitere energetische Maßnahme dreifach verglaste Fenster eingesetzt, aber das ließ ihr Budget nicht zu. Neben den Decken zwischen Erd- und Dachgeschoss wurden auch die Dachbalken freigelegt. Ein Zimmerer prüfte die Tragfähig­keit und legte fest, welche Dachbalken ausgetauscht werden mussten.

CTA

Zudem entschieden sich die Feuereisens dafür, die Decke im Schlafzimmer anzuheben. Unerwartet war die Art und Weise, wie das Dach des bestehenden Anbaus mit dem Haupthaus verbunden war: Die Dachbalken waren abenteuerlich aneinandergeschraubt. Auch hier setzte das Ehepaar auf das handwerkliche Geschick von Profis, die den neuen Dachstuhl passgenau zuschnitten und fachgerecht einbauten, damit unter anderem auch die Statik stimmt. Ebenso wurde die Fußbodenheizung im Erdgeschoss, die Gastherme und die Küche von Fachunternehmen installiert.

Einladendes Ambiente: Natürliche Farben und eine harmonische Gestaltung sorgen für einen hohen Wohlfühlfaktor. Fotos: Bernhard Huber

Umgestaltung des Gartens

Ende 2017 waren die größten Baustellen beseitigt und die Familie konnte endlich einziehen. Nun rückte das nächste Projekt in den Fokus: eine umfassende Neugestaltung des verwilderten Gartens. Dafür funktionierten Verena und Denis kurzerhand die von der Sanierung übrig gebliebenen Europaletten um. Daraus gestalteten sie moderne Gartenmöbel, wie zum Beispiel einen Strandkorb oder eine Sommerbar für Gartenfeste.

Die heute achtjährige Tochter Elena freute sich über eine Schaukel, und Hündin Emma über viel Grünfläche zum Herumtoben. Das große Gewächshaus des Vorbesitzers hat die Familie gleich so übernommen, wie sie es vorfand: Die Patina gefiel den Feuereisens so gut, dass sie auf Schönheitsreparaturen verzichteten. Heute gedeihen in dem Glashaus Tomaten, Gurken, Peperoni und Physalis. In ein Gehege sind Hühner und Wachteln eingezogen. Sogar ihre Hochzeit feierten Verena und Denis im eigenen Garten.

Heute fühlt die Familie sich eng verbunden mit dem Haus. „Wir identifizieren uns ganz anders mit dem Haus, weil wir selbst so viel eingebracht haben“, erklärt Verena. „Und unsere Eigenleistung wird als Eigenkapital angerechnet, was wiederum den Finanzierungsbedarf senkt und uns etwas mehr Spielraum für weitere Anschaffungen gibt.“

Ruheort: Der selbst­gebaute Strandkorb lädt zum Verweilen und Entspannen ein. Foto: Bernhard Huber

Grundstück bleibt Herzensobjekt

Dass ein Eigenheim eine Lebens­aufgabe ist, wissen die Feuereisens und haben schon die nächsten Projekte im Kopf. Die Energieversorgung könnte man zum Beispiel schrittweise umgestalten, denn die Erdgastherme war die einfachere und pragmatische Lösung. Eine Wärmepumpe in Kombination mit einer Photovoltaik­anlage und einem Holzofen im Wohnbereich sind denkbar. Entschieden ist noch nichts. Auch die Dächer auf der Garage und dem Nebengebäude sollen saniert werden. Hinzu kommen natürlich all die kleineren Ideen, die das Heim weiter verschönern.

Momentan jedoch legen die Feuer­eisens erst mal eine Pause ein und fokussieren sich auch mal auf andere Dinge: Sie möchten gerne wieder verreisen oder sich einen kleinen Luxus gönnen. „Wir möchten ja auch nicht nur für Haus und Hof leben.“ Aber natürlich bleibt das Grundstück ein Herzensprojekt, bei dem Verena, Denis und Elena nun ihre ganz eigene Geschichte in die Mauern schreiben.

Extra-Tipp: Das bringt die Eigenleistung

Eigenleistung: Mit der sogenannten Muskelhypothek erhöht sich der Eigenkapitalanteil einer Immobilienfinanzierung. Als Eigenleistung gelten Einsparungen durch eigene Arbeit gegenüber einer Ausführung durch Handwerker. In der Regel werden 15 Prozent der Baukosten als Eigenkapital angerechnet. Wichtig dabei ist, dass die Muskelhypothek plausibel vorgerechnet wird. Nur dann wird die Bank oder Bausparkasse diese berücksichtigen.

Ersparnis: Bei einer Umfrage des Bauherren-Schutzbundes gaben 44 Prozent der Bauherren an, mehr als 20.000 Euro als Eigenleistung erbracht zu haben. Die mögliche Ersparnis liegt zum Beispiel für Malerarbeiten bei circa 4.000 Euro, bei der Dachdämmung bei circa 5.000 Euro. Wer in einem Bauberuf ausgebildet ist und entsprechende Arbeiten selbst erledigt, kann noch höhere Summen einsparen.

Wohnträume verwirklichen und dabei noch nachhaltig sein? Lesen Sie, wie BHW Bausparkasse Sie unterstützt.